Mehr als 300 Riesaer Schüler der siebten und achten Klassen erlebten eine ungewöhnliche Unterrichtsstunde, die wohl länger und eindringlicher in Erinnerung bleibt als Deutschaufsatz und Matheaufgaben. Die 90 Minuten im „stern“ waren dermaßen aus dem Leben gegriffen, wie es selten passiert und deshalb umso direkter in Verstand und Seele haften bleibt.
Ronny und Dennis sind Anfang dreißig und haben eine mehr oder weniger „klassische Karriere“ als Drogenkonsumenten, Dealer und Beschaffungskriminelle hingelegt. Der Einstieg erfolgte aus verschiedenen Gründen, bei Dennis schon als Zwölfjähriger „mit Cannabis, Pilzen, Pillen, was es alles so gibt.“ Ronny begann zwar erst mit 18, aber gleich mit Crystal Meth. Beide hatten im Prinzip eine passable Kindheit, doch der eine wollte irgendwann vor allem „cool“ sein, der andere frönte einem überzogenen Leistungsanspruch. Beide rutschten in die Drogenszene ab, weil sie natürlich immer mehr Geld für den eigenen Konsum brauchten. „Einbrüche, Körperverletzung, Raub, das ganze Programm“, so der aus Freiberg stammende Ronny. Auch Dennis geriet an falsche Freunde, saß dann mal im Knast, war zwischenzeitlich sogar „clean“, verfiel dann aber „immer wieder in alte Muster“. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Zeithain absolvieren beide eine mehrmonatige Therapie und sind fest entschlossen, ihr Leben grundsätzlich zu ändern, denn: „Man hat es nie unter Kontrolle, auch wenn man sich das einbildet. Und man braucht immer mehr Stoff“, so Ronny.
Die gestandenen Herren auf dem Podium hatten ebenfalls Eindringliches zu sagen: Amtsgerichtsdirektor Herbert Zapf schilderte den Teufelskreis aus Sucht, Geldproblemen, Drogenverkauf, Abhängigkeit von den Lieferanten, neuen Geldproblemen und der immer stärkeren Sucht. „Da rollt ein Zug, den man nicht stoppen kann!“ Polizeirevierleiter Hermann Braunger berichtete, dass Drogenkriminalität auch in Riesa mit 120 Fällen im Jahr eine beachtliche Dimension erreicht hat. Die Beamten greifen Drogensüchtige auf, die Wahnvorstellungen entwickeln, körperliche Wracks sind.
Dort knüpfte Dr. Stefan Geiger vom Elblandklinikum an: „Crystal macht unbändig leistungsfähig, man bleibt tagelang wach. Aber dann fällt man in ein großes Loch, und das geht immer so weiter.“ Davon wegzukommen, verlange großen Willen, die beiden Jungs verdienten Respekt für ihren Weg. Geiger machte aber zugleich den Jugendlichen im Saal Mut: „Drogen sind bei jungen Menschen noch vielfach gefährlicher für Hirn und Körper. Aber Ihr seid zugleich schon alt genug, selbst zu entscheiden, was Ihr tut!“
Man tritt den Experten sicher nicht zu nahe: Die Einbeziehung von Ronny und Dennis, die aus eigenem Erleben berichteten, hatte wegen ihrer Unmittelbarkeit, ihrer Direktheit die größte Wirkung. In den Gesichtern vieler Jungs und Mädchen arbeitete es sichtlich, das Getuschel sprach für sich – und nach dem offiziellen Ende suchten einige das direkte Gespräch mit den JVA-Insassen. „Das hat gesessen!“ resümierte Schulleiter und Moderator Lothar Gläsel und meinte das ausschließlich positiv.
Auf Initiative des Kriminalpräventiven Rates organisiert, zeigte die Veranstaltung deutlich: Theoretische Vorträge und Infomaterial, von dem es auch reichlich gab, sind unbestritten wichtig. Doch die direkte „Konfrontation“ mit einstigen Drogensüchtigen und -dealern wirkt – so bleibt zu hoffen – bei allen lange und im richtigen Sinne nach.